Mittwoch, 2. Januar 2013

Erlebnisse und Erkenntnisse einer Abenteuerreise III

Weihnachten

Wir sitzen vor unserem selbstgebauten Tannenbaum, den wir notdürftig aus ein paar Zweigen gebastelt haben und irgendwie fühlt sich das nicht an wie Weihnachten. Weil meine Familie fehlt, obwohl ein Teil davon neben mir sitzt. Weil es ganz ohne Familie vielleicht doch nicht geht und weil ich vielleicht doch sowas habe, wie eine Familie. Auch wenn sie vermutlich nicht so ist, wie man sich die Bilderbuch Familie vorstellt. Aber dafür kann sie ja nichts.
Wir sind zu faul unser Weihnachtsessen zu machen und lassen es deshalb einfach. Morgen ist auch noch ein Tag.
Und obwohl ich unsere wunderbar zwanglose, faule Einstellung genieße, hätte ich irgendwie doch gerne das Weihnachten mit meiner Familie.
Das Weihnachten, von dem ich eigentlich immer dachte, dass es mich enttäuscht, weil ich meiner Familie nicht genüge. Weil es sich irgendwie kalt anfühlt und weil wir uns wegen Kleinigkeiten streiten, bis dann alle schweigend vor dem Fernseher sitzen.
Genau das Weihnachten vermisse ich nun irgendwie, weil es auf gewisse Weise doch immer ein bisschen schön ist.
Aber ich will generell eher die Dinge, die ich sowieso nicht kriegen kann. Und vielleicht ist das auch gut so und ich lerne irgendwann mich an dem zu erfreuen, was ich habe.

Als wir ein paar Tage darauf komplett sind und auch die letzte im 3er Bunde angekommen ist, ist es Zeit für die Bescherung. Irgendwie schäme ich mich für folgende Gefühle, aber dennoch sind sie da:
Während ich mühevoll persönliche Geschenke gebastelt habe und zu jedem eine Geschichte zu erzählen weiß, bekomme ich nun schnell gekaufte, unpersönliche Geschenke.
Ich bin kein materialistischer Mensch und Weihnachten hat für mich auch wenig mit Geschenken zu tun, aber irgendwie ist es enttäuschend sich so viel Mühe zu geben und dann nichts zurückzukriegen. Auch wenn das irgendwie ein blöder Gedanke ist. Aber irgendwie fühlt es sich wieder so an, als wäre ich nicht gut genug. Nicht genug wert oder sonst irgendwas. Auch wenn das mit ziemlicher Sicherheit nicht so ist.
Wenn dann an die andere Freundin viel persönlichere Dinge verschenkt werden, fühlt es sich aber nunmal so an.
Und wenn dann noch ständige Kritik an mir geäußert wird - die zwar in der Natur meiner Freundin liegt, die nunmal eben gerne kritisiert und das eigentlich auch garnicht böse meint - dann falle ich eben gerne wieder in altbekannte Muster zurück.
Ich wünschte so sehr, dass ich das ansprechen könnte. Aber ich traue mich nicht. So, wie ich mich so vieles in meiner alten Umgebung nicht traue. Und daher eben lernen muss Mut aufzubringen.
Und so sitze ich Tage später hier, wo es sich anfühlt als würden sich die Gesprächsthemen hauptsächlich auf die besten Uni Noten, all die Männer die sich für einen interessieren, überdurchschnittlich ausgefallene Intelligenztests, Stipendien und prall gefüllte Bankkonten konzentrieren.
Weil ich bei all diesen Sachen eher weniger mithalten kann, ist es so, als wäre meine gesamte Person zu schlecht und ich bekomme ein bisschen Heimweh.
Ich wünsche mich zurück dahin, wo man ausschließlich wegen seiner wahren Persönlichkeit und nicht wegen völlig belanglosen Dingen gemocht wird. Doch diese Orte scheinen in unserer heutigen Gesellschaft irgendwie selten geworden zu sein. Aber vielleicht müssen wir sie nur wieder aufbauen.

Mittwoch, 26. Dezember 2012

Erlebnisse und Erkenntnisse einer Abenteuerreise II

Ankunft
Unter mir kann man das beleuchtete und eingeschneite Stockholm sehen, das sich langsam und dennoch zu schnell nähert. Die Anzeige, die mich darauf hinweist, dass wir bald landen werden und ich mich anschnallen muss leuchtet auf. Ich atme tief durch und lasse meinen Kopf, der durch das Gequengel übermüdeter Kinder bereits dröhnt langsam gegen das Flugzeugfenster kippen. Es ist ungemütlich und mein Nacken schmerzt. Aber das ist mir egal. Ich schließe die Augen und bewege mich nicht.
Ich hab grade Lust auf alles - nur nicht auf Abenteuer. Am allermeisten aber auf mein Bett. 
In meinem Kopf beginnen sich wieder Horrorszenarien zu bilden: verpasster Bus, keine Möglichkeit auf dem Flughafen zu schlafen, nichts zu Essen, verloren gegangener Koffer.
Als die Räder mit einem Ruck aufsetzten, werde ich aus meinen Gedanken gerissen und beschließe, dass ich grade sowieso zu müde bin, um mir Sorgen zu machen.
Wir kommen zum Stehen und die Menschen um mich herum beginnen schnell damit ihr Gepäck zusammenzusuchen. Sie sind pünktlich zu Weihnachten zuhause angekommen. 
Meine Reise beginnt grade erst, ein richtiges Zuhause habe ich irgendwie nicht und müde bin ich auch! Ich stehe nicht auf, sondern beobachte die Familien, die sich auf Weihnachten freuen. Ich bin eifersüchtig, wütend, wünsche mir liebe Menschen um mich und beginne mich in meinem Kopf selbst zu bemitleiden. Was wohl passiert, wenn ich einfach im Flugzeug sitzen bleiben würde und keinen Ton von mir gebe?
Die alte Frau neben mir spricht mich auf schwedisch freundlich an. Ich bin ein bisschen erschrocken und gebe ihr auf gebrochenem Englisch zu verstehen, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, was sie eben gesagt hat. Sie grinst, zuckt mit den Schultern und beginnt  ihr Gepäck hervorzukramen. 
Sie ist alleine hier, hat einen Wein getrunken und wirkt fröhlich, nicht verloren. 
Vielleicht kann man auch alleine glücklich sein. 

Weil mir ein Mann den Vortritt anbietet, bin ich gezwungen aufzustehen und mich durch engen Gänge meines Billigfliegers nach draußen zu kämpfen. Die vielen Menschen überfordern mich, ich fühle mich in der Menge allein, unpassend und flüchte kurzerhand auf´s Klo. Weil ich irgendwie auch nicht weiß, was ich sonst machen soll.
Eine ziemlich blöde Idee, wie mir bewusst wird als ich die Tür aufstoße. Aber Umdrehen sieht jetzt auch blöd aus. Ich betrete den Raum und verpasse die Chance den Herdeninstinkt zu nutzen und den Menschen einfach zur Kofferausgabe zu folgen. Fantastisch, jetzt muss ich mich in einem fremden Land auf einem riesen Flughafen mitten in der Nacht auf meinen Orientierungssinn verlassen. Das kann nur schief gehen.
Ich überlege einfach hier auf dem Klo zu bleiben - mein Handgepäck hab ich ja. 
Irgendwie entscheide ich mich dann doch um und verlasse mein Klo. Eigentlich war es ganz nett hier, überlege ich. Schwedische Flughafenklos sind anders als deutsche. Hier hatte man sogar ein eigenes Waschbecken pro Kabine. Zum Glück sind noch ein paar Menschen da, denen ich folgen kann.
Ich finde meinen Koffer und dann weiß ich auch schon nicht mehr was ich tun soll. Langsam wird die Halle leerer und ich starre noch immer das Gepäckband an, das sich mittlerweile ohne Koffer dreht. 
Als ich mich abwenden kann und wieder zu mir kommen, bemerke ich mein Herzklopfen. 
Ich setzte mich auf eine der Bänke und widme meine Aufmerksamkeit wieder dem Gepäckband, weil ich auch nicht weiß was ich sonst tun soll.
Ein Flughafenmitarbeiter fährt auf einem Tretroller an mir vorbei, ich finde das irgendwie paradox, fühle mich ein bisschen wie Alice im Wunderland, habe aber Angst ihn um Hilfe zu bitten, weil ich nicht weiß, ob mein Englisch gut genug ist. Ich versuche auf der harten Bank eine bequeme Position zu finden und scheiter. Der Flughafenmitarbeiter fährt wieder mit seinem Roller an mir vorbei und scheint mich garnicht zu bemerken.
Ich versuche keine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Was ist, wenn der Flughafen nachts schließt und mich jemand auf die Straße setzt. Daran, dass Flughäfen in Hauptstädten wohl kaum jemals schließen denke ich nicht. Als ich nicht mehr sitzen kann und mir klar wird, dass ich hier irgendwie der einzige Mensch weit und breit bin, beginne ich mit Herzklopfen die großen Hallen zu erkunden und ignoriere dabei die Schilder, die auf den Ausgang hinweisen ziemlich erfolgreich. Überall stehen fremde Koffer, die ich mit Leichtigkeit stehlen könnte. So etwas gibt in Deutschland vermutlich nicht. Schweden ist anders. Ich habe das Gefühl, dass man den Menschen hier einfach viel mehr Vertrauen entgegen bringt.
Als ich die Hallen zum zweiten Mal durchlaufen habe, immer wieder auf Sackgassen gestoßen bin und meine Panik noch immer verhindert, dass ich die Schilder richtig deute, entdecke ich eine gepolsterte Bank und beschließe einfach hier zu schlafen. Vorher schreibe ich meiner Freundin aber noch eine SMS um ihr mitzuteilen, dass ich zwar in Stockholm ankommen bin, dieser Flughafen aber scheinbar keinen Ausgang hat und ich deswegen jetzt einfach erstmal schlafe.
Vielleicht muss man manchmal einfach den Mut haben etwas zu tun wovor man sich fürchtet und fremde Menschen auf einer anderen Sprache um Hilfe bitten. Aber das ist jetzt zu spät und irgendwie will ich auch garnicht darüber nachdenken, beschließe die Situation zu ignorieren und schließe die Augen.

Bis mich etwa 15 Minuten später ein Anruf aufschreckt. Am anderen Ende ertönt die etwas panische Stimme meiner Freundin, die mich aufklärt, dass ich mich im Gepäckraum befinde und da jetzt wirklich weg muss! Ich bin ein bisschen genervt, weil ihre Panik etwas ansteckend ist, entdecke aber plötzlich die Exit Schilder.
Der Flughafen scheint wohl doch ein bisschen größer zu sein, denke ich mir und ärger mich über meine Blödheit. Ich baue mein Nachtlager ab und folge erschöpft den Schildern.
Als sich die Türen, die den Gepäckraum vom eigentlichen Flughafen trennen (ich ärger mich noch ein bisschen, bin aber froh über den Anruf) öffnen, kann ich meinen Augen kaum trauen.
Vor mir steht Julia, die einen verrückten, selbst gebastelten Hut trägt, sich aber überhaupt nicht um die Blicke der anderen Leute kümmert. Ich kämpfe mit dem Tränen und renne auf eine meiner besten Freunde zu, die 10 Stunden Busfahrt auf sich genommen nur um mich abzuholen. Und dazu noch diesen furchtbaren Hut trägt und genauso verrückt ist, wie ich sie in Erinnerung habe.
Vielleicht muss man manchmal einfach ein bisschen Vertrauen haben. Irgendwie lösen sich Probleme immer. Wenn nicht durch Zufall, dann durch wunderbare Freunde.


 



Dienstag, 25. Dezember 2012

Erlebnisse und Erkenntnisse einer Abenteuerreise

Anreise
Im Grunde stellt es kein besonderes Abenteuer dar, sich in Europa fortzubewegen.
Für Menschen mit stark beschränktem Orientierungssinn, einem Sinn für dramatische Panikattacken und einem Defizit an Selbstständigkeit aber schon.
Und so machte ich mich alleine auf nach Schweden, um mit einer alten Schulfreundin Weihnachten zu feiern.
Nachdem ich mit einem Gemisch aus Vorfreude und grenzenloser Panik in den Zug nach Berlin gestiegen bin,war kurz nach meiner ersten Reisestation bereits wieder Zeit für etwas Unglück.
Der Zug (ein rüstiges Modell aus Polen mit ungarischem Boardrestaurant und einem Plumpsklo aus dem Mittelalter) stand. "Getriebeschaden",  wie mir einer meiner Mitfahrer noch vor der Durchsage mitteilen konnte. Zum zweiten Mal.
Ob Anschlussflugzeuge wohl warten? Ob mein Name am Flughafen durchgesagt wird, wie es in diesen fiesen  amerikanischen Filmen der Fall ist?
Nein - wohl eher nicht, muss ich mir eingestehen. 
Die Panik steigt und ich beginne mir in meinem Kopf einen Text zurechtzulegen mit dem ich die deutsche Bahn anklagen möchte. Bis mir klar wird, dass das wohl auch ein eher sinnloses Unterfangen wird und ich mich im Grunde ja eh nie trauen würde meinen Text, der zu 90% aus gruseligen Schimpfwörtern besteht der genervten Bahndame vor den Kopf zu schmettern. Und im Grunde kann die ja auch nichts dafür, auch wenn ich hier Bekanntschaft mit ziemlich unfreundlichen Exemplaren machen durfte.
Während ich meine Panik noch ein bisschen steiger, indem ich in meinem Kopf ein Horrorszenario von verpassten Flugzeugen, Terroranschlägen auf Flughäfen und Nächten auf Berliner Straßen nach dem anderen abspiele, merke ich, dass ich in meinem Abteil tatsächlich der einzige Mensch bin der vor Panik beginnt zu schwitzen.
Die junge Frau links neben mir klappt ihr Buch wieder auf und beginnt zu lesen, während sie bei jeder Durchsage (die im Grunde auch nichts anderes verkündet, als das was hier alle schon wissen, aber niemand laut auszusprechen wagt: Wir stehen. Und das auch noch ein bisschen länger.) mit ihren Nasenflügeln ein merkwürdiges Geräusch erzeugt.
Der Mann gegenüber von mir holt seinen Laptop heraus und beginnt eifrig darauf herumzutippen (irgendwas wichtiges für die Arbeit, wie er dem kleinen Jungen mitteilt, der seiner Mutter entkommen ist und nun mit klebrigen Patschefingern auf den Bildschirm des ihm völlig fremden Geschäftsmannes fasst).
Und plötzlich fällt die Panik von mir ab und mir wird eines klar:
Man kann ganz unterschiedlich mit blöden Situationen umgehen.
- Man kann etwas Gutes für sich tun und ein Buch lesen. 
- Man kann etwas nützliches tun, was getan werden muss und arbeiten.
- Man kann die Situation ignorieren und mit klebrigen Fingern den Rest der Welt erkunden.
- Man kann sich in die Situation reinsteigern und vor Panik anfangen zu schwitzen.
Nur eins kann man in den meisten Situationen nicht: Sie ändern.
Manchmal kann man sich bewusst für eine Art des Umgangs entscheiden. Manchmal nicht. Aber am besten erscheint es ersteres zu versuchen.

Und so setzt sich der Zug mit ein bisschen Bauchkribbeln aber ohne Angst wieder in Bewegung.
Mit Hilfe der jungen Frau komme ich pünktlich in Berlin an der S-Bahn Station an. Ich finde die richtige Haltestelle ohne vor Angst den Kopf zu verlieren. 
Es ist ein bisschen aufregend in so einer neuen Umgebung, ich fühle mich erwachsen, alleine mit meinen 2 großen Koffern. Bin unsicher, ob ich überhaupt richtig stehe und fühle mich so wunderbar frei, weil es eigentlich völlig egal ist, ob ich richtig stehe. 
Probleme lösen sich. Irgendwie.
Ich bin ein bisschen stolz auf mich und muss plötzlich grinsen. Hier in dieser Umgebung, die von Hektik, Anonymität und Müll dominiert wird.

Ich steige in die S-Bahn und sehe völlig unterschiedliche Menschen einsteigen. So große Unterschiede kann es nur in einer Großstadt geben.
Niemand sieht dem anderen in die Augen. Jeder ist für sich.
- Ein junger Mann steckt sich schnell Stöpsel in die Ohren und verschließt die Augen. Wovor?
- Eine etwa 40 Jahre alte Frau steht auf, um auszusteigen. Sie ist bepackt mit dicken Einkaufstüten, die zu Reißen drohen. Ihr Kopf ist rot. Ich frage mich, ob ich ihr helfen soll. Doch meine Soziophobie hält mich davon ab. Ich bin überfordert und fühle mich beobachtet. Sie niest. Ich wünsche ihr Gesundheit. Sie starrt mich überrascht an und wird dann aus der Bahn gedrängt. 
- Ein Mann mit einer Schirmmütze steigt ein. Er zieht einen Kampfhund mit sich, der vor Angst den Schwanz einzieht. Ich lächel dem Hund zu und kann ihn verstehen. Ich hoffe, dass er schon einmal fühlen durfte, wie es ist, wenn man völlig frei draußen herum springt.
- Eine dürre, stark geschminkte Frau mit grauen Haaren und der Kleidung, die zwar in eine Modezeitschrift aber definitiv nicht in eine Welt mit Minusgraden passt, zwängt sich zwischen meinen Koffern hindurch und setzt sich mir gegenüber. Ich lächel ihr aufmunternd zu und sie schaut weg. Mir fällt mein Reisoutfit und der große Fleck auf meiner Hose auf, den ich beschämt versuche mit meiner Hand zu bedecken, bis mir meine zu großen Finger auffallen. Während ich mir über den Sinn von zu großen Gelenken an Fingern den Kopf zerbreche, bremst die Bahn und meine Koffer quetschen das Pseudomodel an ihren Sitz.
Ich habe Angst, dass sie zerbricht und entschuldige mich sofort. Sie lächelt mich von oben herablassend an und murmelt irgendwas. Ich höre auf den Fleck zu verdecken, lege meine Hände offen auf den Koffer und mir wird etwas klar:
Ich will, dass es niemals so wird!
- Ich will die Augen niemals vor etwas verschließen, ich will versuchen das zu verändern, was mich stört.
- Ich will helfen und das tun was ich für richtig halte, egal was die anderen denken könnten.
- Ich will völlig frei draußen herumspringen und mich von nichts und niemandem anleinen lassen.
- Ich will mir niemals eine äußere Hülle aufbauen müssen und auf Menschen herabblicken nur um mich besser  zu fühlen.

Ich steige aus der S-Bahn und laufe zum Flughafen, froh dieser merkwürdigen Umgebung entfliehen zu können. Ich finde meine richtige Fluggesellschaft sofort, bin trotzdem nervös, gebe meine Koffer zu früh ab und ärgere mich darüber. Mein Trinken ist im Koffer und ich im Sicherheitsbereich. Aber man darf nervös sein und sich ärgern, wenn man lernt zu leben. 
Mein Flug hat Verspätung. 3 Stunden, in denen ich nicht weiß, ob ich überhaupt ankomme. Ich bin nicht nervös, ich bin müde! Eine Frau lächelt mir erschöpft zu. Wir verstehen uns, obwohl wir nicht dieselbe Sprache sprechen.
Als das Boarding beginnt, teilt die Fluggesellschaft Essensgutscheine aus. Ich schaffe es die (unsinnige) Angst meinen Flug zu verpassen zu unterdrücken und löse meinen Gutschein ein. Ich bin ein bisschen stolz und muss grinsen, als mir der Angestellte Mandarinen schenkt, weil ich scheinbar wirklich müde aussehe.
Als ich völlig erschöpft im Flugzeug sitze, aus dem Fenster schaue und den Schub beim Abheben spüre, erinnere ich mich an das Gefühl von Freiheit.
Zeit für Abenteuer!








Mittwoch, 5. Dezember 2012

Weil,

... ich mein größter Feind bin.
... ich niemanden mit meinen Problemen belasten will, es alleine aber nicht schaffe.
... die Ansprüche an mich selber unmenschlich sind.
... sie dennoch da sind.
... ich ausschließlich meine Fehler sehe.
... ich mich für meine Fehler hasse.
....das falsch ist, diese Erkenntnis aber nicht auf mein Gefühl übergeht.
... die Therapie Sachen von mir fordert, vor denen ich Angst habe.
    Bei denen ich versagen könnte.
... ich einfach nicht sagen konnte, was gut an mir ist, weil es da vielleicht garnichts gibt.
... ich den Sinn nicht verstehe.
... ich mich zu schlecht fühle, um gemocht zu werden. Und es sich deshalb anfühlt,
   als würde ich angelogen werden,wenn mich jemand mag.
... nur meine Fassade gemocht werden kann.
... es so furchtbar anstrengend ist, sie jeden Tag aus Trümmern neu zu bauen.
... sich das, was dahinter liegt gedemütigt fühlt, weil es verborgen wird.
... ich so zwanghaft versuche perfekt zu sein, dass ich schon garnicht mehr weiß,
    wie es sich anfühlt ich selbst zu sein.
... ich Angst habe, es dieses Mal wieder nicht zu schaffen.
... es nicht fair ist, dass ich meine Vergangenheit nicht hinter mir lassen kann.
... die Vergangenheit nicht fair ist.
... ich das Gefühl habe selbst Schuld daran zu sein.
... ich will, dass es endlich gut wird. 
... ich Angst habe es zu versuchen.

Genau deshalb ist grade alles nicht gut.

Freitag, 23. November 2012

Heimweh

Zum ersten Mal seit langem.
Zum ersten Mal seit langem fühlt sich mein altes Zuhause an, als wäre es mein Zuhause. Geborgenheit, Sicherheit, Familie.
Was bisher Fremdwörter für mich waren, wurde nach sehr langer Zeit ein bisschen wahrer.

Ich werde es vermissen. Mein altes Zuhause, meine Familie.
Dennoch freue ich mich auf meine neue Familie.
Nach einer Woche dem Alltag entfliehen, geht es nun von neuem der Uni entgegen. Den neuartigen Problemen entgegen, die von den alten vielleicht auch nur verdrängt wurden.
Ich liege im Bett und weine. Ich kann wieder weinen!!
War alles ein Fehler? Das Studium in so weiter Entfernung? Immerhin sind sie nach allem was passiert ist  noch immer meine Familie. Doch das war die bisher schönste Zeit meines Lebens.
Aber ich will sie teilen mit ihnen. Mit meiner Vergangenheit. Will beide Teile.
Die Flucht vor alten Problemen. Doch man kann nicht immer fliehen. Irgendwann holt einen alles ein.

Auch meinen Plan habe ich nicht erfüllt.
4 der Punkte sind noch nicht durchgestrichen.
Zu spät aufgestanden, mit Mama lange einkaufen gewesen, schlecht geplant. Ich hätte nicht so lange mit den Hund spazieren gehen sollen. Keine Nikolausgeschenke basteln sollen. Nicht mit Mama all die schönen Dekosachen anschauen sollen.
Doch sind es nicht diese Dinge die eigentlich glücklich machen?
Noch kann ich nicht völlig abschalten und genießen. Immer wieder sagt mir mein Kopf, dass ich unbedingt lernen muss. Etwas für die Karriere tun muss, um später glücklich zu sein.
Aber im Grunde weiß ich, dass Erfolg mich nicht glücklich machen wird.

Ich habe 6 Dinge durchstreichen können. 6 ist mehr als 4.
Umdenken?

Mittwoch, 21. November 2012

Planungswut

Wenn ich mir meine letzen Posts anschaue bekomme ich Angst. Angst davor das Leben zu verpassen.
Ich plane alles. Von oben bis unten, hinten bis vorne, früh bis spät.
Doch dann bin ich vor lauter Plänen völlig planlos.
Erfolg zum Preis von Freiheit.
Sollte nicht das gesamte Leben darauf ausgerichtet sein, glücklich zu sein?
Doch was macht mich glücklich?
Bisher war alles was in meinem Leben zählte der Erfolg. Durch das "erfolgreich sein" in Schule und Sport kämpfte ich um die Anerkennung meiner Eltern, meiner Freunde. Erfolgreich im Leben war ich nicht.
Laut meinem Therapeuten muss ich das Leben lernen.
Lernen Glück nicht an Erfolg zu messen.
Lernen wie man Pause macht.
Lernen nicht für andere, sondern für sich selbst gut zu sein.
Lernen der Gewohnheit zu entfliehen!

Menschen lernen aus Erfahrung.
20 Jahre Erfahrungen die mir nicht gut getan haben. Nicht mit Absicht. Aber dennoch.
Können 20 Jahre (schlechte) Erfahrung nur durch 20 Jahre gute (andere) Erfahrungen ausgeglichen werden?
Der Gedanke macht mir Sorgen. Bereits 1 Jahr andere Erfahrungen durfte ich erleben. Das wunderbarste Jahr meines Lebens.
Doch während ich anfangs ganz ich sein konnte, niemandem etwas beweisen musste, einfach frei war wandelte sich dieser Zustand.
Ich entschied das Studium fortzuführen, die neuen Menschen wuchsen mir ans Herz und plötzlich war es wieder da -
das Gefühl perfekt sein zu müssen, um gemocht zu werden. Um mich selber zu mögen.

Und wieder verfalle ich in alte Muster.
Seit einer Stunde sitze ich mit meinen Eltern im Wohnzimmer. Wir unterhalten uns nicht.
Denn ich bin beschäftigt. Ich plane.
Auf meinem Laptop erscheinen einzelne Tage bis hin zu den Prüfungen. Jeden einzelnen Tag will ich nutzen, um die 10 Prüfungen erfolgreich zu bestehen. Doch ich weiß, dass das nicht funktionieren wird. Ich werde krank werden, mehr Schlaf brauchen als geplant, irgendwas wird dazwischen kommen.
Man kann nicht sein gesamtes Leben planen. Ich weiß das. Und trotzdem versuche ich es.
Ich verurteile es, wenn ich meinen Plan nicht einhalte als persönliches Scheitern. Einen Plan, den man überhaupt nicht einhalten kann.
Die Prüfungen sind nicht gut gelaufen. Hätte ich nur besser geplant!!
Kann man planen, nicht zu planen?
Ein Paradoxon. Ein nicht lösbarer Widerspruch.

Ich plane nun zu planen. Das ist möglich.
Ich plane Pläne zu planen, die man einhalten kann.
Pläne, die erfüllt werden können. Deren Erfüllung mir zeigt, dass ich etwas kann. Pläne mit eingeplanten Pausen.

_________________________
Plan für morgen
  • UNI: Praktikum vorbereiten 
  • endlich das Geburtstagsgeschenk für Mama und Papa einkaufen und die Umsetzung mit meinem Bruder planen
  • den Computer aufräumen und ein vernünftiges Virenprogramm besorgen
  • zur Apotheke fahren, Einkaufen gehen und ein schönes Mittagessen zaubern
  • die Prüfungsvorbereitung realistisch planen und notfalls den Mut haben eine Prüfung rauszuwerfen
  • die neuen Besitzer meines ehemaligen Pferdes anrufen und einen Besuch planen
  • einen Flug nach Schweden buchen
  • einen langen Spaziergang mit dem Hund machen
  • ein bisschen Mathe lernen



Montag, 19. November 2012

Ungewollt

Zu Besuch bei meinen Eltern. 600 km.
Der Uni und den Männern entfliehen. Alten/Neuen Problemen entgegen.
Kann eine Mutter ihr Kind nicht wollen?
Ist das biologisch überhaupt möglich? Oder ist es einfach die Unfähigkeit Liebe und Zuneigung zu zeigen, die mir das Gefühl gibt nichts Wert zu sein? Nicht gut genug zu sein, um geliebt, ja wenigstens akzeptiert zu werden.
Die Fragen drängen sich immer wieder auf.
Es sind die kleinen Dinge, die mir das Gefühl geben nicht gewollt zu werden.
Dinge, wie die fehlende Umarmung, wenn man mich nach langer Zeit wieder sieht.
Das Gefühl nur Besucher, fast schon Eindringling zu sein. Nicht Familienmitglied.
Die Kälte. Die Lauten Geräusche. Knallende Türen. Keine Antworten, wenn ich ein Gespräch beginne. Das genervt sein. Desinteresse und teilweise Ablehnung meines neuen Lebens. Ständige Kritik bei allem was ich mache. Die Frage, wann ich denn wieder fahre. Für Anerkennung lügen zu müssen.
Kleinigkeiten.
Große Wirkung.
Ich muss mich Abgrenzen von dem was da kommt. Die guten Seiten sehen. Die Schlechten verkraften lernen. Die Angst spüren und nicht durch Tabletten, Selbstverletzung oder Sport bis zum Umfallen in den Hintergrund drängen.
Das schlimmste ist die Angst vor der Angst.
Sie macht mich unfähig ich zu sein. Verbietet mir das Glück. Bringt mich zur Explosion, wenn ich die Spannung nicht ablassen kann. Lässt mich verglühen.
Ich reflektiere die Kälte die mir entgegen kommt. Bin genauso. Will nicht so sein. Habe Angst so zu werden. Und hasse mich dafür.

Doch es gibt sie, die guten Dinge.
Papa, der mich am Arm berührt und mich fragt ob es mir gut gehe.
Oma, die Kuchen backt, mit mir Kinderfotos anschaut, mit mir über den Tod meiner Tante redet, sich um mich sorgt und fragt, ob ich bald wiederkommen werde.
Der Hund, der sich freut wenn ich mit ihm spazieren gehe.
Die Katze, die Streicheleinheiten genießt.
Alte Freunde mit denen es so wunderschön ist. Die mich akzeptieren. Egal was ich getan hab. Egal wie ich bin. So wie ich bin.
Mama, die mit mir Einkaufen geht. Mit mir lacht. Gespieltes Lachen. Und die doch wie eine alte Bekannte ist.
Trotzdem sind es die guten Dinge, die mir grade die Tränen in die Augen treiben. Ich kann sie nicht glauben. Es fühlt sich an, als würde man mich anlügen. Das ist noch schlimmer.
Ich weiß, dass sie echt sind. Ich will, dass sie sich so anfühlen.
Ich vermisse meine Familie. Ich vermisse eine Familie. Geborgenheit. Sicherheit.
Unfair zu wollen, was nie sein wird.
Ich unterdrücke die Tränen. Ich weiß doch garnicht wie das geht mit den Gefühlen!
 Konnte bis vor kurzem nur neutral sein. Beginne das Leben zu lernen. Lernen ist schwer. Überfordert mit Emotionen. Das war doch als ich ganz klein war nicht so?
Wo ist der Punkt an dem ich abgeschaltet habe?!
Ist es möglich dem Bekannten, Sicheren zu entkommen und zu Leben? Will ich das überhaupt? Kann ich das? Werden mich die neuen Eindrücke wieder umwerfen, wo ich doch jetzt schon - zu Beginn des Nachdenkens - so stark am schwanken bin?

Don´t let the past dictate your future!